Wann war der Mauerfall?
Lass mich rasch googeln.

Was war an dieser Sophie Scholl nochmal so besonders?
Wikipedia hilft weiter.

Wie flicke ich den Platten an meinem Rad?
Eben ein passendes Video auf YouTube suchen.

Diese Haltung ist heutzutage für die Meisten von uns wie selbstverständlich geworden:

Frage?
Antwort Internet.

Auch Kinder nutzen das Internet, um aufkommende Fragen zu beantworten und um auf Entdeckungsreisen zu gehen. Dessen Integration als Informationsquelle wächst zum Jugendalter hin rasant an. Im Privaten, aber auch im schulischen Umfeld. Entsprechend ist es wichtig, dass wir als Erwachsene dabei bestmöglich unterstützen. Das funktioniert aber nur, wenn man sich der potentiellen Schwierigkeiten bewusst ist.

Herausforderungen im Suchprozess

Was für viele Erwachsene lediglich eine (rasche) Eingabe am Smartphone oder PC bedeutet, stellt jedoch speziell Kinder vor große Herausforderungen. Dabei beziehe ich mich nicht auf die Verwendung sinnvoller Suchoperatoren. Diese sind auch vielen Erwachsenen nicht bekannt. Ebenso möchte ich auch nicht auf das zunehmend komplizierte Erkennen von Fake-News eingehen - dazu folgt ein separater Artikel.

Vielmehr soll es in diesem Artikel um die folgende Hürden gehen, mit denen insbesondere Kinder zu kämpfen haben.

  1. Lese- und Schreibkompetenz

  2. Usability der Suchmaschinen

  3. Emotionen

  4. Kontext und Rahmenbedingungen

1. Lesen und Schreiben

Um zu einem bestimmten Begriff oder Thema Informationen zu finden, braucht es einen passenden Suchbegriff und die Kompetenz mit den gezeigten Ergebnissen umzugehen. Beides wird maßgeblich von der Lese- und Schreibkompetenz beeinflusst, welche gerade - aber nicht nur - in jüngeren Jahren noch nicht gefestigt ist.

Rechtschreibung

Etwa die Hälfte der Wörter, die in der Grundschule gelernt werden (nach FRESCH), sind lautgetreu. Sie werden so geschrieben, wie sie ausgesprochen werden. Vorausgesetzt, das Kind ist in der Lage die Laute auch korrekt wahrzunehmen. Weitere ca. 3/8 der Wörter sind regelgeleitet und etwa 1/8 der Wörter sind Merkwörter und müssen auswendig gelernt werden.

Moderne Browser bieten inzwischen nahezu lückenlos die Funktion der Auto-Vervollständigung. Diese ist für ältere Suchende sicherlich eine Hilfestellung, für Kinder im Grundschulalter je doch nur bedingt:

Falsch geschriebene Wörter existieren wirklich

Nehmen wir an, ein Kind möchte sich über Katzen informieren. Es tippt in das Suchfeld "Kaze" ein. Das t wird vernachlässigt, man hört es im Wort ja nicht und die tz-Regel wurde vielleicht noch nicht gelernt oder ist nicht präsent.

Google bringt direkt verschiedenste Themenvorschläge. Einer davon betrifft sogar wirklich Katzen. Der Rest sind andere Dienstleistungen oder Begriffe, die tatsächlich Kaze heißen. An erster Stelle steht aktuell (November 2023) der französische Kazé-Verlag, der Animes und Mangas verlegt. Sicherlich auch spannend für einige Kinder, aber es hilft nicht bei der Suche nach den kuscheligen Vierbeinern. Hier kann die Suchmaschine also nicht helfend eingreifen, da sie schlichtweg keine Fehleingabe erkennt.

Abb. 1

Grenzen gesetzt

Existiert ein falsch geschriebenes Wort tatsächlich, bringt auch eine Autokorrektur nicht viel.

Positiv ist an dieser Stelle die Kindersuchmaschine "blindekuh.de" zu erwähnen. Diese macht nicht den gleichen "Fehler" wie Google. Sie zeigt bei der Suche nach "Kaze" tatsächlich nur Ergebnisse zu Katzen aus. Im Umkehrschluss allerdings: Was, wenn ich wirklich nach Kaze suche?

Abb. 3

Besser gelöst?

Blinde Kuh ignoriert das Wort Kaze und zeigt ausschließlich Treffer für das Wort "Katze" an.

FragFINN, ebenfalls eine Kindersuchmaschine, zeigt hingegen wiederum Ergebnisse zu dem gesuchten Begriff "Kaze", weist aber auf eine Mögliche Falschschreibung hin. Ob diese prominent genug und für Kinder leicht zu entdecken ist, ist ein anderes Thema.

Abb. 3

Der Mittelweg

Fragfinn liefert, wie Goggle auch, Treffer zum Wort Kaze, fragt aber, ob vielleicht "Katze" gemeint sei.

Automatische Korrektur

Als positives Gegenbeispiel der eben genannten Problematik können Suchmaschinen bei klaren Falschschreibungen jedoch wirklich eine Hilfe sein. Im folgenden Beispiel habe ich "Weldraum" anstatt "Weltraum" eingegeben. Google liefert automatisch Ergebnisse zum korrekten "Weltraum".

Abb. 4

Fehlerkorrektur in Google

Offensichtlich falsch geschriebene Wörter werden automatisch korrigiert.

Das ist eine tolle Unterstützung für Benutzer, die sich beim Tippen auf den Bildschirm konzentrieren. Gerade Kinder sind jedoch komplett auf ihre Hände konzentriert - schließlich sind die Buchstaben auf der Tastatur so ganz anders verteilt als im Alphabet, so dass alleine das Auffinden der gewünschten Zeichen eine eigene Herausforderung darstellt. So entegehen dem Kind die gut gemeinten Vorschläge.

Die Kindersuchmaschinen fragFINN und Blinde Kuh verzichten übrigens vollständig auf eine solche Funktion.

Lesekompetenz

Sobald die Ergebnisse angezeigt werden, müssen sie nach Relevanz gesichtet werden. Auf klassischen Seiten wie Google, DuckDuckGo etc. sind die Beschreibungen der Artikel häufig vollgepackt mit schweren Wörtern und Fachbegriffen, da sie sich eben primär an Erwachsene richten. Das ist eine nicht zu unterschätzende Hürde. Auch wenn vielleicht "schon der vierte oder fünfte Treffer in kindgerechter Sprache verfasst ist, ist es wahrscheinlich, dass das Kind bereits davor abspringt. Denn noch mehr als viele ältere Benutzer wählen Kinder am ehesten im oberen Bereich der Suchergebnisse auswählen. Die Wahrscheinlichkeit, sogar die Seite der Suchergebnisse zu wechseln, ist sehr gering.

Hier emfpiehlt es sich speziell bei jüngeren Anwendern, gezielt mit einer Kindersuchmaschine zu arbeiten, welche komplexere Artikel in der Regel garnicht erst anzeigen.

2. Usability der Suchmaschinen

Die Bedienbarkeit von Suchmaschinen hat sich in den letzten Jahren deutlich gesteigert - jedoch in der Regel nur für erwachsene Benutzer. Mehrere Studien aus dem Zeitraum um 2010 (!) haben Probleme aufgezeigt und konkrete Lösungsvorschläge genannt1. Geändert hat sich nur in den wenigsten Fällen etwas.

Natürliche Sprache

Positiv anzumerken ist, dass Suchmaschinen heutzutage sehr gut mit der Eingabe von natürlicher Sprache umgehen können. Anstatt kompliziert nach passenden Schlüsselwörtern zu suchen, können nun problemlos ganze Sätze formuliert werden. Also, fast. Denn leider ist das gerade bei den Kindersuchmaschinen nicht der Fall.

Auf die Frage "Waschen sich Katzen gerne?" bekomme ich bei fragFINN auf den ersten Seiten nicht einen einzigen passenden Treffer. Stattdessen erfahre ich von den Warrior Cats, Keimfutter für Ziervögel und von Waschbären. Blinde Kuh macht es leider auch nicht besser. Als Ergebnis auf die Frage erhalte ich genau 0 Treffer.

Bei den "großen" Suchmaschinen sieht das dagegen anders aus, egal ob, Google, Bing etc. Natürliche Spracheingaben werden problemlos erkannt und liefern auf Anhieb relevante Ergebnisse direkt unter den ersten Treffern.

Natürliche Spracheingabe

Die drei Suchmaschinen Google, Blinde Kuh und fragFINN gehen ganz unterschiedlich mit der eingäbe natürlicher Sätze statt Schlüsselworte um.

Schlüsselwörter und Alphabetische Listen

Das Abrufen von Schlüsselwörtern aus dem Gedächtnis stellt für Kinder eine erhöhte kognitive Belastung dar, wie Beheshti et al. bereits 2010 erforschten. Wenn Kinder die Wahl hatten, mit einem Suchsystem über das Durchsuchen von Kategorien, der Eingabe von Schlüsselwörtern, einer erweiterte Suche oder einer alphabetische Liste zu interagieren, entschieden sie sich überwiegend für das Durchsuchen einer hierarchischen Taxonomie oder einer alphabetischen Liste.

Die beiden Kindersuchmaschinen fragFINN und Blinde Kuh  bieten diese Möglichkeiten in reduziertem Umfang an. So lassen sich zu aktuellen Themenwelten (zum Zeitpunkt dieses Artikels Halloween, Israel und Zeitumstellung) einige vorselektierte Einträge finden.

Abb. 5

Themenübersichten "lite"

Die beiden Kindersuchmaschinen bieten nur eine sehr rudimentäre Themenübersicht an.

Allgemeine, nicht aktualitätsbezogene Themensammlungen wie beispielsweise zu Sport oder Fussball findet man jedoch nicht. Diese könnte, beispielhaft, mit wenigen exemplarischen Inhalten so strukturiert sein:

Abb. 6

Tabellarische Ansicht

Konkrete Vorschläge zu bestimmten Themengebieten werden von Kindern gerne angenommen und verringern die kognitive Belastung.

So gesellt sich zu den Anforderungen, Wörter richtig zu schreiben, Ergebnisse zu lesen und zu verstehen, auch noch das vorangehende Abrufen von passenden Suchbegriffen. Was für Erwachsene recht simpel klingt, wird für Kinder aber eine nicht triviale Herausforderung. Man denke dabei unbedingt auch an den eingeschränkten Wortschatz in jungen Jahren - insbesondere bei Kindern mit Migrationshintergrund und/oder einer anderen Muttersprache.

Bildersuche

Durch die explizite Suche nach Bildern und dem weitestgehenden Ignorieren von Textinhalten bauen sich manche Kinder, so genannte „Visual Surfer“, eine Behelfsbrücke. Per (Google) Bildersuche scannen sie die Ergebnisse nach Bildern ab, die zu ihrer Anfrage passen. Ein Klick auf eines der Bilder führt dann zur Website, wo sich weitere Informationen finden lassen - bestenfalls in Form weiterer Bilder oder dicker Überschriften, die als knappe Informationsquelle dienen.

Kurz gesagt: Kein Alt-Tag → Kein Treffer bei der Bildersuche → Kein Erfolg für Visual Surfer.

Dennoch können Bilder grundsätzlich unterstützend eingesetzt werden. Auch die beiden Kindersuchmaschinen zeigen bei den Suchtreffern Bilder an. FragFINN blendet links der Ergebnisse ein Bild der gesamten Website ein. Blinde Kuh hingegen zeigt nur das Titelbild des Artikels. Letzteres hat den Vorteil, dass das Motiv besser erkannt werden kann, da es nicht so kleinteilig wird.

Bildersuche

Bildersuche in Google und der visuell unterstützende Einsatz von Bildern bei einer regulären Suche in den beiden Kindersuchmaschinen.

Ikonographie

Ein letzter kleiner Punkt, der bei Kindern für Verwirrung sorgen kann, ist der Einsatz von unpassenden Metaphern. Darauf gehe ich in dem Artikel "Apps für Kinder - Designkriterien" umfassender ein. Grundsätzlich geht es darum, dass beim Einsatz von Symbolen darauf geachtet werden soll, dass sie auch verstanden werden.

So erlaubt es beispielsweise (wieder) Google in seiner App den Suchbegriff einzusprechen. Das ist ein toller Ansatz. Ebenso bieten die mobilen Betriebssysteme Android und iOS eine systemweite Spracheingabe. Allen gemein ist allerdings die Wahl des Mikrofon-Icons. Eine Analogie zu Mikrofonen aus früheren Zeiten. Der Wiedererkennungswert für Kinder ist da sicherlich gering - die Metapher muss erst einmal gelernt werden. Dabei sollten Symbole für sich selbst sprechen.

Abb. 7

Ungünstige Metapher

Die stilisierte Darstellung alter Mikrofone (rechts), hier von Google (links) und Apple (mittig) entsprechen nicht der Lebens- und Erfahrungswelt von Kindern.

3. Emotionen

Shenton und Dixon2 beschreiben in ihrer Studie eine grundsätzliche Begeisterung für die Internetnutzung bei jüngeren Teilnehmern, stellten aber auch fest, dass die positive Einstellung gedämpft wurde, wenn die Kinder auf Probleme stießen.

Speziell emotionale Reaktionen wirken förderlich oder aber hemmend auf die Informationssuche von Kindern. Im Positiven, wenn eine Suche geglückt ist und im Negativen, wenn partout keine passende Information gefunden wird. So erörtert Bilal3, dass das Internet für Kinder bei der Suche viele Herausforderungen mit sich bringt. Kinder müssen nicht nur starke Suchfähigkeiten entwickeln, sondern auch ihre emotionalen Reaktionen regulieren.

Gerade die Fähigkeit zur Regulierung ist bei jüngeren Benutzern bei Weitem nicht so ausgeprägt wie bei den meisten Erwachsenen. Entsprechende Unterstützung und positive Bestärkung benötigen Kinder, um aus einer frustrierenden und demotivierenden Situation herauszufinden. Dies gilt natürlich in vielen Lebenslagen, aber eben auch im Fall der Ausdauer fordernden Internetsuche.

4. Filter und eingeschränkte Websites

Abschließend möchte ich noch knapp auf einen Unterschied zwischen schulischer und privater Nutzung des Internets eingehen.

In Schulen (und öffentlichen Einrichtungen) sind in der Regel Filter aktiv, welche den Besuch bestimmter Websites innerhalb des Netzwerks nicht zulassen. Diese Einschränkung gibt es zuhause hingegen meist nicht. Wenn anstatt einer Website eine unverständlich Fehlermeldung im Browser erscheint, führt dies erfahrungsgemäß zu Irritationen und Verunsicherung.

Es ist eben auf der Liste gesperrter Websites häufig auch YouTube steht, wird den Kindern eine beliebte und umfangreiche Quelle genommen, sich zu informieren. So gibt es, neben unbestritten diskutablen Inhalten, sehr viele wirklich lehr- und hilfreiche Videos, welche in Wort, Bild und Ton mehrere Sinneskanäle ansprechen und somit zu einem nachhaltigeren Lerneffekt führen können (multisensorisches Lernen).

Quellenangaben

Querverweise

(1) Beheshti et al., 2010

(2) Shenton und Dixon, 2003

(3) Bilal 2005

Literaturangaben

  • Bilal, D. (2005). Children’s information seeking and the design of digital interfaces in the affective paradigm. Library Trends, 54, 197–208. DOI: 10.1353/lib.2006.0013.

  • Beheshti, J., Large, A., and Tam, M. (2010).Transaction logs and search patterns on a children’s portal. The Canadian Journal of Library and Information Science, 34(4), 391–402.

  • Shenton, A. K., and Dixon, P. (2003). A comparison of youngsters’ use of CD-ROM and the Internet as information resources. Journal of the American Society for Information Science, 54,1029–1049.

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